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Grundsätzlich kann der Vermieter dem Mieter kündigen, wenn dieser mit der Zahlung der Betriebskosten in Verzug gerät. Dem Mieter steht bei berechtigten Zweifeln an der Abrechnung jedoch ein Recht auf Belegeinsichtnahme zu. Wenn die Belege unvollständig und nicht nachvollziehbar vorgelegt werden, kann sich der Mieter auf sein Zurückbehaltungsrecht berufen. Das Amtsgericht Wipperfürth hat in seiner Entscheidung vom 25.01.2024, Az.: 9 C 229/23, nun bestätigt, dass bei unvollständigen Belegen zur Betriebskostenabrechnung kein Kündigungsgrund seitens des Vermieters besteht.
Nicht vollständige Belege zur Betriebskostenabrechnung
Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Betriebskostenabrechnung für das vorangegangene Wirtschaftsjahr erschien dem Mieter zu hoch, sodass sich dieser auf sein Recht zur Belegeinsichtnahme berief. Nach einer Korrektion der Abrechnung und Übersendung diverser Abrechnungsunterlagen durch den Vermieter blieb die Abrechnung jedoch nach Ansicht des Mieters weiterhin fehlerhaft. Laut Mieter seien deutlich höhere Werte berechnet, Belege aus einem falschen Wirtschaftsjahr vorgelegt und Beträge doppelt abgerechnet worden, sodass sich eine erhebliche und nicht nachvollziehbare Differenz in der Abrechnung ergab. Der Mieter machte aufgrund dessen sein Zurückbehaltungsrecht geltend. Der Vermieter kündigte den Mieter ordentlich, da dieser die Betriebskostennachzahlung weiterhin nicht zahlte. Nunmehr begehrt der Vermieter die Herausgabe und Räumung der streitgegenständlichen Wohnung.
Die Entscheidung des Gerichts
Ohne Erfolg! Das Amtsgericht Wipperfürth erachtete die Betriebskostenabrechnung – jedenfalls zurzeit- für nicht nachvollziehbar, sodass das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht gegen die Nachzahlung greift und zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs durch den Vermieter kein kündigungsrelevanter Zahlungsverzug gegeben war. Es besteht somit kein berechtigter Kündigungsgrund.
Entscheidend ist die Nachvollziehbarkeit der Abrechnung
Dem Mieter steht grundsätzlich ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 1 BGB zu, solange der Vermieter nicht die der Abrechnung zugrundeliegenden Belegkopien vollständig vorlegt. Zu den Belegen gehören nach Auffassung des Amtsgerichts vor allem die vorzulegenden Rechnung, die zugehörigen Verträge und die Zahlungsnachweise, betreffend das aktuelle Wirtschaftsjahr.
Die Belege wurden nach Ansicht des Amtsgerichts nicht vollständig von dem Vermieter vorlegt. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte das Amtsgericht nicht klären, wie und woraus sich der Nachzahlungsbetrag der Betriebskosten ergibt. Somit kann sich der Mieter so lange auf sein Zurückbehaltungsrecht berufen bis der Vermieter die fehlenden Belege vorlegt und die Betriebskostenabrechnung nachvollziehbar darstellt. Folglich fehlte es auch an einem Kündigungsgrund.
Grundsätzlich ist der Mieter gem. § 274 BGB verpflichtet seine Leistung Zug-um Zug zu erfüllen. Nach Auffassung des Amtsgerichts wird der Mieter ausnahmsweise, unter Rückgriff auf Treu und Glauben (§ 242 BGB), nicht zur Erfüllung durch Zug-um-Zug verurteilt. Sonst würde dem Mieter paradoxerweise zwar das Zurückbehaltungsrecht aufgrund von fehlender Belege zustehen, jedoch könnte dieser das Recht nicht wahrnehmen.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung des Amtsgericht ist konsequent und entspricht bezüglich des Belegeinsichtsrecht des Mieters und das daraus resultierende Zurückbehaltungsrecht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Soweit der Vermieter die Nachzahlung zur Betriebskostenabrechnung nicht vollständig und nachvollziehbar belegen kann, steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht zu. Auch bezüglich der Aussetzung der Zug-um-Zug-Reglung des § 274 BGB schließt sich das Amtsgerichts vergangener Rechtsprechungen an.

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