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Schuldunfähigkeit und ihre Auswirkungen auf das Kündigungsrecht im Mietverhältnis

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Gemäß §§ 543 I 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich, fristlos kündigen. Ein solcher Grund liegt gem. § 569 II BGB vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch das Verschulden einer Vertragspartei, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Ist die Störende Vertragspartei jedoch schuldunfähig aufgrund einer psychischen Erkrankung, so sind die Belange der Parteien unter Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürftigkeit der Partei gegeneinander abzuwägen.

So entschied das Amtsgericht Aachen mit Urteil vom 28.02.2023, Az.: 101 C 323/20, dass keine ausreichende Grundlage für eine Kündigung besteht, wenn die störende Partei schuldlos handelte und zum Zeitpunkt der Kündigung keine akuten Störungen mehr vorliegen und lediglich eine abstrakte Rückfallgefahr besteht.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis, welches durch eine schizoaffektive Störung der Mieterin in der Zeit von 2019 und 2022 extrem beeinträchtigt wurde. Die Beeinträchtigungen äußerten sich in Form von Beleidigungen, Belästigungen und Stalking der Mitmieter wie auch der Vermieterin. Letztere erhielt innerhalb des oben genannten Zeitraums seitens der Mieterin eine Vielzahl von wirren Textberichten und E-Mails mit konfusen Anlagen, ohne dass diese einen erkennbaren Zusammenhang zum Mietverhältnis aufwiesen. Die Vermieterin erhielt insgesamt über 1000 Nachrichten, welche statt eines kohärenten Inhalts etwaige Verschwörungstheorien und Vorwürfe strafrechtlichen Verhaltens bezüglich individueller Dritter enthielten. Im Jahr 2020 sprach die Vermieterin mehrere Abmahnungen sowie zwei außerordentliche, fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigungen aus, die jedoch erfolglos blieben. In den Jahren 2021, 2022 wie auch 2023 erklärte die Vermieterin erneut die außerordentliche, fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung.

Mit ihrer Klage begehrte die Vermieterin die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung, da eine Fortsetzung des Mietverhältnisses auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr zumutbar sei. So seien sämtliche ursprüngliche Mitmieter aufgrund der Verhaltensweise der Mieterin aus dem Haus ausgezogen.

Entscheidung des Gerichts

Die Klage hatte keinen Erfolg! Der Vermieterin stand der geltend gemachte Räumungsanspruch nicht zu, da das Mietverhältnis nicht wirksam durch die Kündigung beendet wurde.

Nach Auffassung des gerichtlich bestellten medizinischen Sachverständigen war die Mieterin zwischen den Jahren 2019 und 2022, durch ihre schweren Krankheitssymptome nicht in der Lage, ihren Willen frei und unbeeinflusst von der psychischen Erkrankung zu bilden, sodass sie geschäftsunfähig war und schuldlos handelte.

Die Abmahnungen wie auch Kündigungen konnten der Mieterin aufgrund ihrer Geschäftsunfähigkeit nach §§ 131,104 BGB somit nicht wirksam zugestellt werden.

Nachdem die Mieterin durch ihre therapeutische und medikamentöse Behandlung wieder zurechnungsfähig und geschäftsfähig war, konnten ihr die im Dezember 2022 bzw. Januar 2023 ausgesprochenen Kündigungen zwar wirksam zugehen, jedoch war die Vermieterin nicht mehr zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.

Auch wenn das Verhalten zwischen 2019 und 2022, trotz der Schuldlosigkeit der Mieterin, geeignet war um die Kündigung zu rechtfertigen, so konnte sich die Vermieterin im Dezember 2022 nicht mehr darauf berufen. Zum Zeitpunkt der letzten Kündigungen befand sich die Mieterin in erfolgreicher therapeutischer und medikamentöser Behandlung, welche ihr Stabilität verschaffte. Auch lagen seitdem keine vergleichbaren Belästigungen oder Störungen des Hausfriedens mehr vor.

Auch die Gefahr eines Rückfalls, die bestehen könnte, stellte nach Ansicht des Gerichts lediglich eine abstrakte Gefahr dar, welche keinen wichtigen Kündigungsgrund nach § 543 I BGB begründete. Auch die Verletzung der nebenvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 II BGB iVm dem Mietvertrag, war zugunsten der Mieterin nicht zu berücksichtigen, da diese zur Zeit der Vertragsverletzungen aufgrund ihrer psychischen Erkrankung schuldlos handelte. In der akuten Krankheitsphase hätte dieser Aspekt das überwiegende Interesse der Vermieterin zwar nicht entkräften können, angesichts der Stabilisierung war die Schuldlosigkeit der Mieterin jedoch besonders zu berücksichtigen. Zudem ergab eine Interessenabwägung, dass die Mieterin aufgrund ihrer gesundheitlichen Stabilisierung und der drohenden Verschlechterung im Falle des Wohnungsverlustes besonders schutzbedürftig war und somit ihr Interesse in der Wohnung zu bleiben, das Kündigungsinteresse der Vermieterin überwog.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil betont den besonderen Schutz psychisch erkrankter Mieter. Es stellt sicher, dass Mieter, die aufgrund ihrer Erkrankung schuldunfähig sind, nicht für Verhaltensweisen gekündigt werden können, die sie nicht kontrollieren können. So wird ihnen Stabilität und Schutz vor Kündigungen gewährleistet.

Für Vermieter betont die Entscheidung, dass sie bei der Ausstellung von Kündigungen die rechtlichen Anforderungen und die spezifischen Umstände der Mieter berücksichtigen müssen. Kündigungen aufgrund von Verhaltensstörungen eines Mieters, die durch eine psychische Erkrankung bedingt sind, müssen folglich sorgfältig geprüft werden. Insbesondere ist es wichtig, die Geschäftsfähigkeit der Mieter zu prüfen um sicherzustellen, dass Abmahnungen und Kündigungen wirksam zugestellt werden können.

 

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Kreisbild Fabian Bagusche
Fabian Bagusche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und 
Wohnungseigentumsrecht 
 
 

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