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Nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Um einen solchen Härteeinwand hinreichend und substantiiert darzulegen forderten die Gerichte bisher ein ausführliches fachärztliches Attest.
Mit seiner Entscheidung vom 16.04.2025 hat der Bundesgerichtshof dies korrigiert, indem er klarstellte, dass ein Mieter seiner Darlegungs- und Beweislast auch dann genügt, wenn er ein seine Härteeinwand unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme vorträgt. Ein fachärztliches Attest ist demnach nicht zwingend erforderlich.
Sachverhalt
Im zu entscheidenden Fall bestand seit Dezember 2006 ein Mietverhältnis, welches die Vermieterin aufgrund von Eigenbedarf zum 31.Januar 2021 kündigte. Der Mieter widersprach der Kündigung unter Vorlage einer „Stellungnahme über Psychotherapie“ und machte einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 547 BGB geltend. Das Amtsgericht gab der Räumungsklage der Vermieterin statt. Auch das Landgericht wies die Berufung des Mieters zurück mit der Begründung, dass dieser eine drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahr nicht hinreichend konkret dargelegt habe. Der Mieter hätte lediglich eine Stellungnahme eingereicht, welche nicht von einem (Fach-)Arzt, sondern von einem „Psychoanalytiker“ erstellt worden sei. Mangels hinreichend konkreten Vortrags zu der behaupteten Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Mieters im Falle eines Wohnungswechsels sei dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens daher nicht nachzugehen. Das Landgericht hatte die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgte der Mieter sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidung des Gerichts
Der BGH hob die Entscheidung des Landegerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Zwar bestätigte er, dass die Kündigung der Vermieterin wirksam war, rügte jedoch die Ablehnung des Härteeinwands allein wegen des Fehlens eines fachärztlichen Attests.
Nach der Rechtsprechung des Senats genügt der Mieter als medizinischer Laie seiner Darlegungsbeziehungsweise Substantiierungslast, wenn er unter Vorlage eines (ausführlichen) fachärztlichen Attests geltend macht, ihm sei ein Umzug wegen einer schweren Erkrankung nicht zuzumuten. Auch sei vom Mieter als medizinischer Laie über die Vorlage eines solchen (ausführlichen) fachärztlichen Attests hinaus nicht zu verlangen, noch weitere Angaben zu den gesundheitlichen Folgen, insbesondere zu deren Schwere und zu der Ernsthaftigkeit zu befürchtende gesundheitliche Nachteile zu tätigen. Der Senat hatte damit nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass für die Erfüllung der Substantiierungspflicht des Mieters stets die Vorlage eines fachärztlichen Attests erforderlich ist. Ein solches gewährleistet zwar eine fachliche Qualifikation der Diagnose in besonderer Weise, jedoch soll eine hinreichende Substantiierung nicht generell von der Vorlage eines fachärztlichen Attests abhängig gemacht werden. Im Einzelfall kann also auch eine ausführliche Stellungnahme eines medizinisch qualifizierten Behandlers ausreichen, um den Härteeinwand des Mieters nachvollziehbar und substantiiert zu untermauern. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände, insbesondere den konkreten Inhalt des Attests an. Der BGH setzt dadurch sachgerechte und praxistaugliche Anforderungen an den Härtenachweis gemäß § 574 BGB.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist von erheblicher Bedeutung für die Weiterentwicklung des sozialen Mietrechts und schafft eine Entlastung der Mieter in belastenden Lebenssituationen. So kann in Zukunft ein medizinisch fundiertes Attest oder eine Stellungnahme auch von einem nicht-fachärztlichen Behandler ausreichen, um das Vorliegen einer unzumutbaren Härte substantiiert darzulegen. Dennoch bleibt das fachärztliche Attest das überzeugendere Beweismittel und sollte, soweit dies möglich ist, weiterhin vorgelegt werden.
Für Vermieter hat das Urteil zur Folge, dass sie sich nicht mehr ohne Weiteres auf die Unvollständigkeit eines Härteeinwandes berufen können. Auch nicht-fachärztliche Stellungnahmen müssen von den Gerichten nun inhaltlich überprüft werden.

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