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Kündigt ein Vermieter das bestehende Mietsverhältnis aufgrund eines vermeintlich bestehenden Eigenbedarfs, so muss dieses bereits zum Zeitpunkt der Kündigung hinreichend gefestigt sein.
Dabei sind die Fachgerichte daran gehalten allen Gesichtspunkten nachzugehen, die Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches begründen oder ihn als vorgeschoben erscheinen lassen. Verbleibende Zweifel an der Ernsthaftigkeit gehen damit zu Lasten des Vermieters. In seinem Urteil vom 14.02.2025 hat das AG Hamburg (Az.: 49 C 86/24) eine Eigenbedarfskündigung der Vermieterin als unzulässige Vorratskündigung angesehen, da es an einem konkreten Nutzungswunsch der Bedarfsperson fehlte. Indizien waren hier eine fehlende Besichtigung der Wohnung sowie die mangelnde Kenntnis über eventuell anfallende Mietkosten und welche Arbeiten es im Falle einer Umsetzung der erwogenen Nutzung bedarf.
Sachverhalt
Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis, welches Ende September 2023 durch die Vermieterin ordentlich wegen Eigenbedarfes gekündigt wurde, da die 20-jährige Tochter der Gesellschafter, zum 01.04.2024 an der MSH Medical School Hamburg ein Medizinstudium aufnehmen würde. Darüber hinaus beabsichtigte der Gesellschafter Herr B. zum Jahresende die Tätigkeit in seiner Kanzlei zu beenden und im Anschluss mehr Zeit in Hamburg zu verbringen und in diesem Zusammenhang ein Zimmer der Wohnung als Unterbringung zu nutzen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.05.2024 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis nochmal ordentlich wegen Eigenbedarfs unter Angabe des vollständigen Namens der Tochter einschließlich des Geburtsdatums, des Hinweises, dass sie ihr Studium für Humanmedizin an der MSH aufgenommen habe, und der Angabe der geplanten Mitbewohnerin, die dort seit dem 01.04.2024 Psychologie studiere. Einer Besichtigung der Wohnung habe es nicht bedurft, da diese dem Gesellschafter der Klägerin bekannt sei. Im Übrigen seien junge Leute, die in Hamburg studieren, dankbar über jede Wohnung, in der sie wohnen könnten. Dabei stützte die Vermieterin ihren Eigenbedarf ausdrücklich auch auf die zweite Kündigung vom 27.05.2024. Die Mieterin war der Auffassung, dass ihr ein Umzug selbst für den Fall einer wirksamen Kündigung unzumutbar sei, da sie als voll berufstätige Ärztin und Mutter einer 12-jährigen Tochter sich zudem noch um ihre erkrankte Mutter kümmern müsse, die in unmittelbarer Nachbarschaft lebe. Im Übrigen sei auch die Arztpraxis in der Nähe belegen. Hinsichtlich ihrer Tochter sei zudem zu berücksichtigen, dass diese das ebenfalls in der Nähe belegene Gymnasium Eppendorf besuche. Insoweit spiele sich das Leben der Beklagten auf engem Raum mit kurzen Distanzen ab, welches aufgrund der Betreuung der Tochter, aber auch der Pflege der Mutter, bei voller Berufstätigkeit ein erheblicher Kraftakt sei. Anderweitiger in der Nähe befindlicher Wohnraum sei nicht zu beschaffen. Zudem könne die Vermieterin auf eine Gewerbefläche im Erdgeschoss ausweichen, zumal der Wohnbedarf für zwei Studentinnen selbst bei Nutzung eines Zimmers durch den Vater weit überhöht sei. Mit ihrer Klage begehrte die Vermieterin die Mieterin zu verurteilen die streitgegenständliche Wohnung geräumt an sie herauszugeben.
Entscheidung des Gerichts
Ein Räumungsanspruch der Klägerin aus den §§ 546 Abs. 1, 573 Abs. 2 BGB bestand nicht, da es an einer wirksamen ordentlichen Kündigung wegen Eigenbedarfs fehlte. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich um eine unzulässige Vorratskündigung, da der Nutzungswille der Bedarfsperson -hier die Tochter der Vermieterin - sich zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch nicht hinreichend gefestigt hatte. Dabei kam es nicht darauf an, dass die erste Kündigung vom September 2023 wegen fehlender Individualisierung der Bedarfsperson unwirksam gewesen sei. An dieser hinreichenden Individualisierung fehlte es, da die Gesellschafter der Vermieterin drei Töchter ähnlichen Alters hatten. Allerdings genügte die Kündigung vom 27.05.2024 den entsprechenden Vorgaben, da diese die Bedarfsperson hinreichend individualisierte und auch die bestehenden Wohnverhältnisse hinreichend spezifizierte.
Der Kündigung stand auch nicht die Stärkung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts entgegen, da es sich bislang nicht um eine eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechtes handelte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass der geltend gemachte Eigenbedarf zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht hinreichend verfestigt gewesen war. Gesetzliche Voraussetzung einer Eigenbedarfskündigung ist, dass über den bloßen Eigennutzungswunsch des Vermieters hinaus vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Entscheidung des Vermieters zur Eigennutzung oder Nutzung durch einen Angehörigen vorhanden sind. Die Fachgerichte haben deshalb allen Gesichtspunkten nachzugehen, die Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches begründen oder ihn als vorgeschoben erscheinen lassen. Verbleibende Zweifel an der Ernsthaftigkeit gehen damit zu Lasten des Vermieters. Insoweit hatte das Gericht zu berücksichtigen, dass weder die Gesellschafter der Klägerin noch die Zeugin B., noch die Freundin, den bestehenden Zustand der Wohnung besichtigt hatten und auch keine Kenntnis, welcher Arbeiten es im Falle einer Umsetzung der erwogenen Nutzung bedarf, vorlag. Zwar trug der Gesellschafter der Vermieterin vor, dass er selbst für die Sanierung der Wohnung Sorge getragen habe, dies war jedoch bereits 7 bis 8 Jahre her. Nach Maßgabe der Befragung war jedoch weder über die Raumnutzung noch über den Mietpreis und damit auch die zu zahlende Untermiete kommuniziert worden. Eine endgültige Entscheidung, ob die Wohnung durch die Zeugin B. und ihre Freundin genutzt werden soll, würde danach erst dann getroffen werden, wenn diese freistehend zur Verfügung steht und der Nutzungsumfang durch den Gesellschafter der Klägerin mit den jungen Damen abgestimmt worden ist. Der Umstand, dass es bei einer großen Wohnung in einer schönen Hamburger Wohnlage naheliegend ist dort einzuziehen, soweit der Mietzins sich als finanzierbar und die in das Objekt zu investierende Beträge/ Arbeiten sich als leistbar erweisen – was vorliegend jeweils vollkommen ungeklärt ist –, genügt insoweit nicht, um von einem Nutzungswunsch oder gar einer verbindlichen Nutzungsabsicht mit hinreichender Sicherheit auszugehen.
Die Klage der Vermieterin wurde daher abgewiesen.
Bedeutung für die Praxis
Der BGH hatte in seiner Entscheidung vom 23.09.2025 (Az.: VIII ZR 297/14) bereits festgelegt, dass eine bislang nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht rechtfertigt. Das AG Hamburg folgte mit seinem Urteil der ständigen Rechtsprechung und wies die Klage der Vermieterin zurecht ab.
Für Vermieter, welche eine Eigenbedarfskündigung aussprechen wollen – für sich oder eine Bedarfsperson - ist es wichtig, dass sie vor Ausspruch der Kündigung prüfen lassen, ob das geltend gemachte Interesse eine Kündigung auch tatsächlich rechtfertigen kann. Um den Nutzungswunsch als hinreichend „konkretisiert“ darstellen zu können, sollte der Vermieter/die Bedarfsperson eine Besichtigung der Wohnung durchführen und nähere Angaben über eventuell anfallende Arbeiten machen können.

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