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Anforderungen an die Prüfung der nicht zu rechtfertigenden Härte im Sinne des § 574 I 1 BGB bei Gefahr eines Suizids im Falle der Räumung der Wohnung

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Widerspricht der Mieter einer an sich gerechtfertigten Kündigung, aufgrund von einer unzumutbaren Härte, so ist diese unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters zu prüfen. Liegt eine konkrete Gefahr eines Suizids vor, so ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen, dieser hinreichend Rechnung zu tragen. So entschied der 8. Zivilsenat mit seinem Urteil vom 10. April 2024 (Az.: VIII ZR 114/22), dass die konkrete Gefahr eines Suizids der Mieter im Fall einer Räumung der Wohnung als Härtefall im Sinne des § 574 BGB anerkannt ist und somit eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausschließt.

Sachverhalt

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Mieter bewohnt seit dem Jahr 1988 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin die streitgegenständliche Wohnung. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 erklärte der Vermieter die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs, welcher die Mieter fristgemäß widersprachen, mit der Begründung, dass die Kündigung für sie eine besondere Härte darstelle. So führten sie an, dass ein Umzug aufgrund ihrer gesundheitlichen sowie finanziellen Situation "schlicht unmöglich" sei. Der Fall ging durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof.

Mit seiner erstinstanzlichen Klage hatte der Vermieter die Vermieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch genommen. Das Amtsgericht verurteilte die Mieter antragsgemäß. Die hiergegen gerichtete Berufung der Mieter, hatte das Landgericht nach Einholung eines schriftlichen psychiatrischen Sachverständigengutachtens und ergänzender Anhörung des Sachverständigen zurückgewiesen. Die Mieter verfolgten mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die Revision der Mieter hatte, soweit sie eröffnet war, Erfolg. Das Urteil des Berufungsgericht wurde aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen wurden.

Ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten diagnostizierte hinsichtlich des psychischen Gesundheitszustands bei beiden Mietern eine leichte bis mittelschwere Depression, eine Angststörung mit Verdacht auf Panikstörung und ein chronisches Schmerzsyndrom. Beim Mieter wurde zudem eine chronische Schlafstörung sowie eine Benzodiazepin-Abhängigkeit und bei der Mieterin ein Reizmagen sowie -darm und eine Schlafstörung festgestellt. Das Gutachten bestätigte zusätzlich, dass die Mieterin mental so fixiert auf Ihre Wohnung war, dass im Falle einer Verurteilung zur Räumung, eine konkrete Suizidgefahr bestehe.

Härtegründe im Sinne des § 574 I 1 BGB

Härtegründe im Sinne des § 574 I 1 BGB sind Nachteile, die sich von Unannehmlichkeiten die typischerweise mit einem Umzug verbunden sind, deutlich abheben. Nach der Senatsrechtsprechung können Erkrankungen in Verbindung mit weiteren Umständen einen solchen Härtegrund darstellen, insbesondere wenn durch den Wohnungswechsel die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands besteht.

Gebot zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 II GG

Der BGH betonte zudem, dass bei der Abwägung der gegenüberstehenden Interessen, die sich aus Art. 2 II 1 GG ergebenden staatlichen Schutzpflichten, gewahrt werden müssen. Fraglich war, ob die Härte dadurch entfiel, dass die Mieter eine stationäre Therapie ablehnten. Entscheidend war für den Senat eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls. Bei der Feststellung des Vorliegens einer Härte ist zwischen den berechtigten Belangen des Mieters und denen des Vermieters zu berücksichtigen, ob und inwieweit sich die mit einem Umzug einhergehenden Folgen durch die Unterstützung des Umfelds eines Mieters beziehungsweise durch begleitende ärztliche oder therapeutische Behandlungen mindern lassen. Das in Art. 2 II GG enthaltene Gebot wie auch die Schutzbedürftigkeit gelten unabhängig davon, ob die Mieter an der Behandlung ihrer psychischen Erkrankung mitwirken oder nicht.

Abwägung der Interessen

Die Abwägung der Interessen erfordert immer eine sorgfältige Prüfung der Einzelumstände. Nach dem BGH ist es dabei unzulässig den Interessen einer Partei von vornherein ein größeres Gewicht beizumessen.

Auch ist bei der Gewichtung zu beachten, ob und inwieweit die Mieter, die beeinträchtigenden Folgen eines Umzugs, durch äußere Unterstützung mindern könnten. Dabei kann von dem Mieter - ungeachtet dessen Schutzes durch Art. 2 Abs. 2 GG - auch jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Gesundheitsrisikos verlangt werden. Ist die Suizidgefahr durch Therapie beherrschbar kann das Vorliegen einer Härte verneint werden. Nach dem BGH war dies den vorliegenden Umständen jedoch nicht zu entnehmen, sodass ein Härtegrund im Sinne des § 574 I BGB vorlag.

Das Berufungsgericht hatte sich die Möglichkeit einer sachgerechten Gewichtung der vorgebrachten Umständen der Mieter verwehrt, indem es den Suizid als eine eigenverantwortlich getroffene Entscheidung einstufte und von vornherein die Interessen der Mieter als nachrangig betrachtete.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass eine Erkrankung welche eine Räumung unmöglich macht, einen Härtegrund darstellen kann, egal ob die Krankheit körperlicher oder seelischer Natur ist.

Wenn die Eigenbedarfskündigung den psychischen Zustand des Mieters so verschlechtert, dass eine konkrete Suizidgefahr besteht, muss diesem Umstand bei der Interessenabwägung ausreichend Rechnung getragen werden. Die Gerichte sind darangehalten, besonders sorgfältig vorzugehen und alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, um die verfassungsrechtlich gebotene Schutzpflicht des Staates zu erfüllen. Jedoch muss die Suizidgefahr durch Vorlage entsprechender fachärztlicher Atteste festgestellt werden.

Dieses Urteil stärkt den Schutz der Mieter in besonders vulnerablen Situationen.

 

 

 

 

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Kreisbild Fabian Bagusche
Fabian Bagusche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und 
Wohnungseigentumsrecht 
 
 

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